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Lesvos-News 2017

11. März 2017
7.Februar 2017
01.Februar 2017
Dear Emilaki

BOULEVARD-NEWS LESVOS

 

Mytilini, die Hauptstadt von Lesvos

 

11. März 2017 – Via Mytilini

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski

 

Der niederländische Schriftsteller, Ilja Leonard Pfeijffer, wohnt im italienischen Genua, aber er nennt diese Stadt in seiner Dokumentation „Via Genua“ eine afrikanische Stadt. Es ist die neue Welt, in der Immigranten und Einheimische ein Zusammenleben aufbauen müssen. Das wird auch unsere Zukunft  sein, denn der Flüchtlingsstrom scheint nicht abzureißen. Aber die Geschichte zeigt, dass dies schon immer so war und die Ursprungsländer unserer Vorfahren mannigfaltig sind.

 

Das letzte Jahr brachte Lesvos hauptsächlich in die Schlagzeilen, weil zigtausende von Flüchtlingen an die Strände gespült wurden, aber deshalb kann man das Eiland trotzdem nicht Flüchtlingsinsel nennen, so wie Pfeijffer Genua als afrikanische Stadt betitelt. Die vielen Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, besiedeln hauptsächlich Camps rund um Mytilini. Die sich an den Häfen ausstreckende Hauptstadt ist immer noch gekennzeichnet durch die einstige türkische Herrschaft und hat sich inzwischen von einer Provinzstadt zu einer internationalen Metropole entwickelt. Nicht nur allein Flüchtlinge aus allen Windrichtungen, sondern auch ein bunter Zug an Helfern zieht durch die kurvigen Straßen und füllen die gastronomischen Stätten. Nein, Mytilini kann sich noch lang nicht an Genua messen, denn das griechische Leben geht nach wie vor weiter seinen Gang mit den Studenten, die Cafés und Tavernen bevölkern und den Zigeunern die ihre Hände bettelnd nach einem Euro ausstrecken. Aber es ist bunter geworden in der Stadt, und das Angebot wird mehr und mehr internationaler, wie z.B. das syrische Restaurant, das eröffnet hat.  Den russischen Shop, der hauptsächlich von russischen Staatsbürgern aufgesucht wird, gibt’s jedoch schon seit Jahren.

 

Ohne Frage stehen die Zeichen auf Veränderung. Viele Bewohner haben Arbeit bei nichtstaatlichen Organisationen (NRO) gefunden, oder haben sich rund um die Flüchtlingslager Moria und Kara Tepe mit einem Geschäft selbstständig gemacht. Standorte, wo tausende  Menschen wohnen, die Nahrung und Kleidung brauchen. Es ist ohne Frage ein riesiges Geschäft, aber ich muss zugeben, dass mir die Übersicht fehlt. Fährt man entlang der Camps, bekommt man angesichts der Massen an geparkten Autos den Eindruck, als würden sich dort ebenso viele Helfer und Geschäftsleute aufhalten, wie Flüchtlinge.

 

Es gibt Flüchtlingshelfer, deren Hilfe ihr Beruf wurde: Wer kennt ihn nicht, den 27-jährigen malaysischen Gourmet Rayyan Haries, der, nachdem er den Bericht über den tragischen Tod des kleinen Jungen Alan Kurdi sah, ins Flugzeug sprang (wie übrigens viele andere auch, die ab diesem Tag kamen) und an der Nordküste von Lesvos, da wo der größte Flüchtlingsstrom ankam, eine Kochstation errichtete. Nachdem der größte Ansturm vorüber war, ging er wieder zurück in seine Heimat, aber er hat die Insel nie vergessen und so kam er diesen Winter wieder und bereicherte die Camps erneut mit seinem ansteckenden Lachen, Singen und seinen fabelhaften Speisen. Sein Motto: „Nahrung ist Hoffnung“.

 

Kürzlich las ich das großartige Buch "The bone sparrow" der australischen Grundschullehrerin und Autorin Zana Fraillon.  Auch wenn es eine erfundene Geschichte ist, gibt der Inhalt einen beeindruckenden Einblick in das Leben in einem Flüchtlingslager, in dem der größte Feind die Langeweile ist. Um diesen zu besiegen, werden in den Camps von Lesvos Spielstunden für die Kinder veranstaltet, zahlreiche Kurse angeboten und regelmäßige Ausflüge organisiert. Eine der größten Herausforderungen ist jedoch, während des monatelangen hilflosen Wartens ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Zwei junge Männer aus Syrien sind, soweit ich weiß, die ersten „Vlogger“ (Video-Blogger)  der Insel.  Die Zwillingsbrüder geben Einblick in ihren Alltag mit all seinen Problemen und das mit einer guten Prise Humor: Trefft Basel & Murad in Moria.

 

Und so zieht auch auf Lesvos die neue Welt ein, mit Flüchtlingen, Vloggers und Helfern, aber, wie überall, ist es derzeit nur die Hauptstadt, die das moderne Leben umarmt. Der Rest der Insel lebt noch mehr in der Vergangenheit, angelehnt ans Mittelalter, mit anarchistischen Bauern, die, zwar inzwischen ausgestattet mit Mobiltelefonen, immer noch das tun, was ihre Vorfahren getan haben. Ok, die Autos haben die Esel fast verdrängt, aber die Verkehrsregeln sind unverändert, und die Fischer kreuzen das weite Meer nach wie vor in kleinen wackligen Holzbooten…

 

Nicht ganz Italien liegt im Bann der Flüchtlinge, genau so wenig wie Lesvos voll von ihnen ist. Während neue Initiativen und die moderne Welt langsam in die lebendigen Straßen von Mytilini sickern, hält der Rest der Insel nach wie vor an seinem ursprünglichen  traditionellen Leben fest: Ein Stückchen Griechenland, das mehr und mehr seltener wird.

 

Julie Smit