Molyvos (Mithimna)

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Lesvos-News 2017

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BOULEVARD-NEWS LESVOS

 

Ein verschneiter Lepetimnos

 

01.Februar 2017 – Der Lepetimnos

Aus dem Holländischen von Gabriele Podzierski 

 

Wie ein bequemer osmanischer Pascha der über sein Land sinniert, erstreckt sich der Lepetimnos im Norden der Insel. Sein vulkanisches Feuer ist längst erloschen, und derzeit trägt er einen Mantel, der mit weißen Schneetupfen überzogen ist. Geschickt fängt das Bergmassiv mit seinen bis in die Wolken ragenden Spitzen das letzte Sonnenlicht ein und empfängt so jedermann mit einem strahlenden Lachen, der in den Norden von Lesvos kommt.

Einer seiner Gipfel, der den Namen Vigla trägt, ist mit 968 Metern offiziell die höchste Erhebung der Insel.

Die Geschichte besagt, dass einst der Olympos diesen Rekord hielt, aber für die Errichtung militärischer Gebäude und Sendemasten, war es notwendig, ihn einen Kopf kürzer zu machen. Vom höchsten Punkt seines Bergrückens gewährt der Lepetimnos eine atemberaubende Aussicht über den Großteil der Insel, zu fernen Höhen und Bergen, bis tief ins türkische Nachbarland. An hellen und klaren Tagen sind sogar die Inseln Limnos und Agios Efstratios sowie der Heilige Berg Athos auf dem griechischen Festland zu erkennen.

 

An die Flanken des Lepétymnos  schmiegen sich idyllisch die verschlafenen Dörfer Vafios, Argenos, Lepetimnos, Sykamnia, Kapi, Pelopi, Stypsi und Ypsilometopo, allesamt abhängig von den Launen des Massivs, so wie einst auch in den 70er Jahren die Bewohner von Chalikos, die ihre Bündel schnüren mussten, weil Erdbeben und Erdrutsche ihre Häuser unbewohnbar machten. Etwas tiefer am Hang errichteten die Vertriebenen dann ihr neues Dorf und nannten es, vielleicht um den bösen Berg zu besänftigen,  Lepetimnos.

 

Der alte vulkanische Riese wurde benannt nach dem Bräutigam von Mythimna (eine der 5 Töchter des Königs Makaras). Ihren Namen bekam das Hafenstädtchen, das man auch als Molyvos kennt. Viel wissen wir nicht über ihre Ehe, aber, Mythimna und Lepetimnos haben sich  niemals aus den Augen verloren. Auch ist es der Lepetimnos, der reich an Quellen ist, von denen manch eine heißes Wasser führt, der das mittelalterliche Städtchen  mit Wasser versorgt. Schon die Römer, Meister im Bau von Brücken und Aquädukten, leiteten das kostbare warme Nass nach Molyvos.

 

Der Naturforscher und griechische Philosoph Theophrastos  (gestorben 287 v.Chr.) schrieb, dass auf dem Gipfel des Lepetimnos ein Observatorium errichtet war, von wo aus der Astrologe Matriketas von Mythimna die Sterne beobachtete. Nicht viel ist über diesen Wissenschaftler bekannt, außer, dass er in einer Höhe von 986 Metern sein Werk verrichtete.

Einige schlussfolgerten, dass er ein ganz gewöhnlicher Meteorologe, also ein Wettermann war. Tja, wie darf ich mir das vorstellen? Dass ständig Eselchen bergab und bergauf liefen, um über die neuesten Wettervorkommen zu informieren? Oder nutzte er gar Flaggen und Feuersignale, wie einst während des Trojanischen Krieges?

 

Mithymna ist allezeit vom Lepetimnos abhängig geblieben. So versorgte er sie als ein fürsorglicher Ehemann nicht nur mit Wasser und der Wettervorhersage, sondern darüber hinaus auch mit schimmerndem Metall und glänzendem Marmor, wovon alte Minen, die immer noch im Berg zu finden sind, Zeugnis ablegen. Er sorgte zudem für saftige Weiden und einen fruchtbaren Boden, auf dem einst Massen von Trauben gedeihen konnten, die den Wein von Mythimna weltberühmt machten.

 

An der anderen Seite des Berges lockt Mandamados mit dem Kloster des heiligen Taxiarches Touristen und Pilger an. Der antiken Ikone des Erzengels Michael (Taxiarchis) werden viele Wunder zugeschrieben. Im Altertum war es das Orakel hier, welches die Menschen aufsuchten, um es hinsichtlich ihrer Anliegen, sei es Heilung, Sieg oder anderer Dinge, zu befragen. Da Lepetimnos ein trojanischer Krieger war, hatte man auch für ihn ein sogenanntes Heiligtum im Berg errichtet. Hier waren es Raben, denen man die Gabe der Vorhersehung unterstellte.

 

Rund um Kapi und Pelopi weisen zahlreiche archäologische Funde darauf hin, dass die Gegend dort einst aufgrund zahlreicher Tempel und Burgen sehr populär war. Es ist wirklich sehr schade, dass kein gut ausgestatteter Archäologe heute mehr diese Seite der Insel unter die Lupe nimmt, um die einstige blühende Kultur zu untermauern. Tja, und so verschwinden nach und nach all die Steine, die Aufschluss geben könnten, in der Verwendung für den neuzeitlichen Mauer-, Straßen-, Stall-, und Häuserbau. Die Region hält sich nun mit der Viehzucht mehr oder weniger über Wasser, und nur wenige Touristen kennen überhaupt die bezaubernden Dörfchen die an dieser Seite den Lepetimnos umgeben.

 

Die Falten des Gebirgsmassivs, die zu Fuß und auch mit dem Auto erkundet werden können, verstecken so manch überraschende Landschaftsbilder. Seien es Platanen mit meterdickem Umfang, die glucksende Bächlein umsäumen, süß duftende Kastanienwälder, saftig grüne Wiesen an stillen geheimnisvollen Seen, bis hin zu wunderlichen Gefilden, die mit schroffen Felsen besät sind, zwischen denen im Frühling blutrot die Tulpen blühen. Jahrhundertealte Pfade, die gemächlich empor klimmen, regen die Phantasie an und lassen Bilder im Kopf entstehen, wer sie einst beschritt und wohin diese die Menschen führten. Hinterließen der Astrologe und sein Gehilfe dort ihre Spuren? Suchten dort Flüchtlinge einen sicheren  Zufluchtsort? War es der Weg der Liebespaare zu ihrem geheimen Versteck? Ach ja, wenn Bäume reden könnten, was für ein Reigen bunter Geschichten würde uns zuteil.

 

Seit tausenden von Jahren liegt dieser gezähmte Vulkan nun schon auf der Wacht. Er hat die Krieger von Troja vorbeiziehen sehen, er hat mit ansehen müssen, wie eine Königstochter Mythimna verraten hat, indem sie Achilles aus Liebe die Schlüssel der Stadttore übergab, er sah Pelasger, Achäer, Aioler, Lyder, Römer, Italiener und Osmanen nach der Macht auf der Insel greifen.

 

Tja, und nun musste Mythimnas Mann in der letzten Zeit mit ansehen, wie wiederum tausende Flüchtlinge an seinen Küsten strandeten. Stillschweigend schaut er den Gefechten zu, die sich die Bevölkerung mit der unentwegt anhaltenden Krise liefert. Niemand ist mehr da, der die Pfade hoch zu einem Heiligtum erklimmt, um die Götter zu besänftigen und um Hilfe anzuflehen. Wasser und saftige Weiden reichen nun nicht mehr aus, um die heutigen Bewohner Mythimnas zufrieden zu stimmen. Aber diese uralte wertvolle Ikone der Insel, die Tag für Tag immer wieder alles gibt, um die letzten Sonnenstrahlen einzufangen, weiß, dass  irgendwann wieder bessere Zeiten anbrechen werden und dass weder Krise noch Krieg sie von der ihrer so geliebten Mythimna trennen kann.